Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tage in Koblenz
ADN kommt bald/EU-Richtlinie 2009?
Klaus Ridder,Königswinter
Die Gefahrgutbinnenschiffer Europas, sie kamen aus den Niederlanden, Deutschland, Belgien, der Schweiz und Österreich,
trafen sich zum 18. Mal, diesmal in Koblenz, um über Fragen der Beförderung gefährlicher Güter mit Binnenschiffen zu diskutieren. Der Vortragssaal im obersten Stock des Mercure Hotels war voll und trotz des schönen
Blickes auf Rhein, Deutsches Eck und Festung Ehrenbreitstein schaute man auf die Projektionswand und die Vortragenden aus 4 Ländern. Geleitet wurden die Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tage wieder von Klaus Ridder, der
seit fast 3 Jahrzehnten in der Szene tätig ist und Vorsitzender internationaler Arbeitsgruppen in Genf (ECE) und Strasbourg (ZKR) war.
Jährlich werden auf deutschen Binnenwasserstraßen etwa 1,5 Mio. Container befördert, 80 % davon auf dem Rhein. Der
Gefahrgutunfall und dessen Abwicklung Ende März 2007 auf dem Rhein bei Köln hat gezeigt, dass die Binnenschifffahrt zwar ein sicherer Verkehrsträger ist – aber gleichwohl Probleme entstehen können, wenn die
Vorschriften nicht eingehalten werden. So hat der Unfall mit der Excelsior die verkehrsreichste Wasserstraße der Welt für mehrere Tage außer Betrieb gesetzt, weil 32 Container, darunter auch solche mit gefährlichen
Gütern, im Rhein schwammen und erst nach mehreren Tagen geborgen werden konnten. Der Unfall, die Behandlung und Bergung dieser Container war zentrales Thema der 18. Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tage. Obwohl in
Schifffahrtskreisen bekannt ist, dass die Ursache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an der falschen Beladung gelegen hat, wollte der Vortragende Norbert Eschweiler von der Wasserschutzpolizei in
Duisburg hierzu keine Aussage machen. Eschweiler bemängelte allerdings, dass bei der Kontrolle der Ladepapiere immer wieder festgestellt wird, dass die Gewichtsangaben bei Containern unterschiedlich sind, je nach
dem welcher Zweckbestimmung die Papiere dienen.
Wenn auch die Bergung mehrere Tage gedauert hat, so war mit dem Ablauf der Unfallabwicklung im Großen und Ganzen zufrieden.
Man muss hierbei bedenken, so Martin Mauermann, Amtsvorstand des Wasser- und Schifffahrtsamtes Bingen und in der Havarieabwicklung sehr erfahren, dass eine Havarieabwicklung von Fall zu Fall doch unterschiedlich
ist. Besonders bemängelte Mauermann, dass die Binnenschifffahrt für eventuell notwendige Umladeaktionen keinen Schiffsraum zur Verfügung stellen würde. Die Begründung der Schifffahrt hierzu war, dass mit einem
fremden Ladegut die Wahrscheinlichkeit der Verunreinigung des Ladetanks so hoch sei und man dieses Risiko gar nicht eingehen könne. Hier besteht, so Martin Mauermann, Handlungsbedarf. Man müsste darüber nachdenken,
dass eventuell in Notfällen über Zwangsmaßnahmen Schiffe zur Verfügung zu stellen sind.
Im übrigen wies Mauermann darauf hin, dass die Rheinpegel Kaub und Östrich aufgrund der unterschiedlichen Durchflussmengen
unterschiedlich auszulegen sind. Würde man sich beispielsweise nach dem Pegel in Kaub richten, so könnte das bei Niedrigwasser durchaus dazu führen, dass die Schiffe auf der sog. Gebirgsstrecke Grundberührung
bekämen. Martin Mauermann forderte die Schifffahrt auf, sich grundsätzlich nach dem Pegelstand in Östrich zu richten – hier sei man immer auf der sicheren Seite.
Viel Neues gab es in dem Vortrag von Steffan Bölker, Leiter der Zentralstelle Schiffsuntersuchungskommission/Schiffseichämter
(ZSUK) in Mainz. Die ZSUK ist im Bereich Transport gefährlicher Güter mit Binnenschiffen vielfältig zuständige Behörde und arbeitet in den internationalen Gremien mit. Eine wesentliche Aussage von Steffan Bölker
war, dass nach 20jähriger Arbeit das ADN-Übereinkommen Chancen hat, in den nächsten Wochen die sieben notwendigen Unterschriften zu bekommen. Bisher haben die Länder Russland, Niederlande, Ungarn, Österreich,
Bulgarien und Luxemburg gezeichnet. Der Bundesrat hätte am heutigen Tag (Freitag, 21.9.2007) dem Beitritt zum ADN-Übereinkommen zugestimmt, so dass auch Deutschland nunmehr zeichnen kann. Künftig würde das ADNR, so
Bölker, auf das ADN-Übereinkommen aus Genf verweisen. Des weiteren sei es vorgesehen, durch eine europäische Richtlinie ebenfalls das ADN-Übereinkommen in den EG-Mitgliedstaaten zur Anwendung vorzuschreiben, so dass
in 27 Staaten Europas praktisch das ADN-Übereinkommen gelten würde – vorausgesetzt natürlich, dass dort überhaupt ein Binnenschiffsverkehr stattfindet. Vorgesehener Zeitpunkt hierfür etwa 2009. Auch sei es
vorgesehen, die Arbeitsgruppe „Gefährliche Güter“ aus Straßburg aufzulösen, die Arbeiten sollen künftig nur noch in Genf bei der ECE/WP.15 fortgeführt werden.
Uwe Lohmann, Schifffahrtsattache der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der EU, führte die Ausführungen
von Steffan Bölker dahingehend fort, dass die Europäische Kommission eine gemeinsame Richtlinie für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Binnenschifffahrt verabschieden wolle. Mit dieser neuen Richtlinie will man
alle diesbezüglichen EU-Gefahrgutregelungen in einer Richtlinie zusammenfassen. Es sei eine allgemeine Übergangsregelung von 5 Jahren vorgesehen. Allerdings finden die Anforderungen der Richtlinie für Binnenschiffe,
die nur in einem EU-Staat fahren, keine Anwendung. Die Richtlinie wurde im Rat der EU im Juni 2007 in 1. Lesung beraten (Dokument 9445/1/07 REV1(de,lt)).
Interessant auch die Ausführungen von Robert Tiemann, zuständig für Sicherheitsfragen beim niederländischen
Binnenschifffahrts-Verband CBRB (Centraal Bureau voor de Rijn- en Binnenvaart). Es gibt in den Niederlanden Überlegungen für die Risikobewertung an den Straßen, Schienen und Wasserwegen, auf denen gefährliche Güter
befördert werden. Diese Risikobewertung hat ergeben, dass an den vorgenannten Beförderungswegen die Risiken für die Bevölkerung und auch für die Industrie teilweise so hoch sein können, dass hier eine weitere
Bebauung nicht zugelassen werden kann. Die Binnenschifffahrt, so Tiemann, käme bei der Bewertung aber sehr gut weg. Hier seien im Großen und Ganzen keine größeren Einschränkungen zu erwarten. Das Ziel der
Aktivitäten sei es gewesen, ein minimales Schutzniveau für das ortsgebundene Risiko von 10-6 entlang der Transportachsen zu realisieren. 10-6 bedeutet in diesem Fall, dass allenfalls ein
Toter in einer Million Jahren akzeptiert wird. Robert Tiemann appellierte an die anderen europäischen Regierungen, ähnliche Risikobetrachtungen durchzuführen, damit es hier einheitliche Regelungen gibt.
Die zahlreichen Diskussionen bei den 18. Internationalen Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tagen während und nach den Vorträgen
zeigten, dass diese Art des Informationsaustausches gut ankam. Hier haben die Verlader, Beförderer, Sicherheitsbehörden und Sachverständige die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen. Gerade in diesem Jahr waren die
Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tage auch deshalb sehr informativ, weil auf die europäische Binnenschifffahrt in kürzester Zeit umfangreiche Änderungen zukommen werden.
Im nächsten Jahr will man sich wieder treffen, geplant sind die 19. Internationalen Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tage in der
2. Septemberhälfte in den Niederlanden, wahrscheinlich in Arnheim.
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