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Freitag, 20. März 2009 

Reinhold Zitzelsberger Webmaster

 

Barge Safety Workshop

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Industrie möchte noch mehr Sicherheitin der Binnenschifffahrt

- Wer bezahlt den Mehraufwand? –

Dipl.-Ing. Klaus Ridder, Königswinter*)

 

Der Rhein ist die meist befahrenste Wasserstraße der Welt und hat mit Abstand den höchsten Sicherheitsstandard der Schiffe. Jährlich werden etwa 50 Mio. t Gefahrgüter befördert. Obgleich der Sicherheitsstandard sehr hoch ist, wird von der chemischen Industrie immer mehr gefordert. Beispielsweise setzt die BP Köln für ihre Produkte nur noch Doppelhüllenschiffe ein. Doch wer zahlt die Zeche?

In einem Workshop der BP Köln „Barge Safety Workshop“ ging es um die Sicherheit beim Transport gefährlicher Güter mit Binnenschiffen. Teilnehmer waren führende Mitarbeiter von Tankschiffsunternehmen aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden. Seitens des Gastgebers (BP Köln) waren außer den eigenen Fachleuten eine Reihe von Sicherheits- und Logistikexperten verbundener Unternehmen und auch der BP London vertreten. Man diskutierte und forderte – doch die Hauptfrage, wer das noch mehr an Sicherheit bezahlen soll, blieb letztendlich unbeantwortet. Gleichwohl war es eine gelungene Veranstaltung!

Ausgangslage

Verlader, praktisch die Auftraggeber für die Binnenschiffsreeder, möchten eine hochwertige Dienstleistung. Sie möchten, dass ihr Gefahrgut sicher auf den Wasserstraßen befördert wird. Sie fordern mehr als der Gesetzgeber in dem ADNR (Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein) festgeschrieben hat. Im Rahmen des EBIS-Qualitätssicherheitssystems (European Barge Inspection Scheme) wird gecheckt, ob die Reeder auch zuverlässig sind.

Die Ausgangsposition für den Reeder ist ungünstiger als die des Verladers, denn letztendlich ist er darauf angewiesen, dass er die Aufträge vom Verlader bekommt. Der Verlader (meist der Auftraggeber) handelt natürlich die Frachtrate runter, dass ist auch sein gutes Recht. Gleichzeitig steigen aber auch die Qualitätsanforderungen an den Reeder. Neue Schiffe, möglichst Doppelhüllenschiffe, gut ausgebildete Besatzung, einwandfreier technischer Zustand der Schiffe, zuverlässige Frachtabwicklung: Die Liste kann beliebig weitergeführt werden.

Doch all diese Forderungen kosten auch den Reedern Geld – und hier unterscheiden sich die Ansichten. Aber zunächst zum Verlauf der wohl einmaligen Veranstaltung:

Vorträge

Vor einem breiten Publikum von Fachleuten aus 5 europäischen Ländern sorgten zunächst 4 Fachreferenten für eine gelungene Darstellung der aktuellen Situation im Bereich des Transports gefährlicher Güter mit Binnentankschiffen.

Erwin Spitzer vom Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt e.V. in Duisburg skizzierte die Besonderheiten des Tankschifffahrtsmarktes. Besonders wichtig war ihm ein ausgewogenes Nebeneinander von Anforderungen aus den Bereichen Sicherheit, Qualität, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit. Im Hinblick auf den harten internen Wettbewerb innerhalb der Branche warnte er vor nicht auskömmlichen Frachtraten, die zwar für Betrieb und Instandhaltung ausreichen, aber Innovationen behindern.

Klaus Ridder, ehemaliger Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums in Bonn und jahrelang Chairman der Arbeitsgruppe für gefährliche Güter in Strasbourg (ZKR) und Genf (ECE), beschrieb einen weiten Bogen von den ersten Gefahrgutvorschriften im 19. Jahrhundert bis heute. Wenn die Umstrukturierung des auf den Rhein und Nebenwasserstraßen beschränkten ADNR abgeschlossen ist, stellt das Inkrafttreten des europaweit angelegten ADN (Entwurf eines Europäischen Übereinkommens über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen) einen weiteren Meilenstein dar. Während das umstrukturierte ADNR mit ziemlicher Sicherheit zum 1.1.2003 in Kraft treten wird (ist zwischenzeitlich geschehen), steht ein solches Datum für das ADN noch nicht fest (vielleicht 2005?).

Klaus Ridder betonte den hohen Sicherheitsstandard auf dem Rhein. Es dürfte der höchste in der Welt sein. Er kennt sich aus, denn Klaus Ridder hat die bedeutendsten Wasserstraßen der Welt – von Ohio (USA) über den Don (Ukraine) bis hin zum Mekong (Indochina) besucht und dort recherchiert.

Klaus Ridder ging auch auf die Unfallstatistik auf den deutschen Binnenwasserstraßen ein. Auch hier zeigt es sich, dass die Zahl der Unfälle mit gefährlichen Gütern abnimmt. Im Jahre 2001 waren es „nur“ 6 Unfälle, bei denen gefährliche Ladung austrat.

Koen van Dijk vom niederländischen Binnenschifffahrtsverband CBRB aus Rotterdam gab einen interessanten Einblick in eine in den Niederlanden in Zusammenarbeit mit verschiedenen anderen Verbänden geleistete Arbeit: Aus einem bunten Strauß von insgesamt 19 verschiedenen, die Schnittstelle Schiff/Land berührenden Themen stellte er 6 Punkte vor, die für ihn in besonderem Maße von Bedeutung sind, um auch auf internationaler Ebene zusammen mit der verladenden Wirtschaft diskutiert zu werden, z.B.

    - persönliche Schutzausrüstung,

    - Wissenstand der Besatzung über den Betrieb der Schiffe,

    - Sprachprobleme an Bord und mit den Landanlagen,

    - Laderate,

    - Dokumentation,

    - Schutz der Besatzung beim Beladen.

Im Vortrag von Frank van de Ven, Mitarbeiter der BP Shipping in Amsterdam und zugleich Mitglied des Management Commites von EBIS stand genau dieses System im Vordergrund. Der bisher 170 Punkte umfassende Fragebogen soll um eine Reihe weiterer Fragen ergänzt werden. Ein Beweis dafür, dass EBIS lebt und sich neuen Erkenntnissen aus der Prüfpraxis seiner Inspektoren stellt. Noch ein Hinweis! EBIS erfasst z.Z. etwa 1.200 Binnentankschiffe.

Nach den 4 Einführungsreferaten teilten sich die rund 60 Teilnehmer in insgesamt 6 Arbeitsgruppen. Diesen Gruppen hatte der Gastgeber für zielorientierte Diskussionen Themen vorgegeben. Dabei wurden zahlreiche interessante Ergebnisse formuliert und anschließend in gemeinsamer Runde mit allen Teilnehmern des Workshops diskutiert.

Aus den Ergebnissen der 6 Workshops sollen 2 Ergebnisse besonders herausgestellt werden.

Beim Thema „Umweltschutz und Sicherheit“ nahm die Diskussion der sog. VOC-Problematik (Verbot des Ableitens von verflüchtenden Kohlenwasserstoffen durch Entgasen der Tanks) breiten Raum ein. Das bisher nur Tankschiffe nach dem Transport von Benzin berührende Entgasungsverbot ist derzeit noch durch Übergangsregelungen entschärft. Nach Ablauf dieser Regelungen ist ab 1.1.2006 mit einer stark erhöhten Zahl von dedicated (Ladungswechsel sind ausgeschlossen, Benzin wird auf Benzin geladen) und semi-dedicated Transporten (Ladungswechsel dürfen nur innerhalb einer als kompatibel anerkannten Produktgruppe vorgenommen werden, z.B. Diesel auf Benzin) zu rechnen. Es werden mehr Schiffe fahren müssen, weil mehr Leerfahrten anstehen. Ob das allerdings die Umweltlösung sein kann, ist fraglich (weniger VOC – dafür mehr Abgase).

In der Seeschifffahrt ist es schon Realität: Neue Tankschiffe müssen über eine Doppelhülle verfügen. In der Binnentankschifffahrt ist eine vergleichbare Entwicklung vorgezeichnet. Nicht nur die Behörden, sondern auch die Verlader plädieren aus Verantwortung gegenüber der Umwelt und wegen der in bestimmten Situationen erhöhten Sicherheit für Doppelhüllenschiffe.

Obwohl schon seit Jahren Neubauten nur in Doppelhüllenbauweise erstellt werden, nimmt sich der aktuelle Bestand von etwa 150 Doppelhüllenschiffen eher noch bescheiden aus. Daran ändert auch die größere Zahl von Doppelhüllenschiffen nichts, die im Jahre 2003 in Betrieb genommen werden. Angesichts der großen Zahl von Einhüllenschiffen bietet sich kurzfristig keine Möglichkeit, alle gefährlichen Gütern in doppelwandigen Schiffen zu befördern.

Lobenswert ist es in diesem Zusammenhang, dass sich die BP Chemicals aus eigener Entscheidung und Verantwortungsbewusstsein schon seit längerem unabhängig von der Vorschriftenlage dazu entschlossen hat, ihre Produkte ausschließlich mit Doppelhüllenschiffen transportieren zu lassen. Wenn Schifffahrt und Verlader langfristig auskömmliche Frachtraten vereinbaren, schafft dies Spielraum für neue Investitionen.

Im Hinblick auf formulierte Gedanken hat die Zukunft mit der wenige Tage zuvor erfolgten Inbetriebnahme eines 5.700 Tonnen tragenden Tankschiffes der 135-Meter-Klasse bereits begonnen. Die Teilnehmer des Workshops waren sich darin einig, dass Schiffe dieser Größenordnung nur unter ganz bestimmten Bedingungen erfolgreich betrieben werden können und die breite Palette eines flexibel einsetzbaren Bestandes von Schiffen unterschiedlichster Größenordnungen nach oben abrunden zu können.

Als Aufgabe für die Zukunft wurde die Notwendigkeit umfassender ökologischer Konzepte erkannt, womit in erster Linie der Umgang mit flüssigen und gasförmigen Ladungsresten zu verstehen ist. Ein Weg, der durch das 1996 unterzeichnete, aber derzeit noch nicht in Kraft befindliche „Internationale Übereinkommen zur Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt“ bereits vorgezeichnet ist. Allerdings lässt die Inkraftsetzung des Übereinkommens noch auf sich warten.

Leicht vorstellbar war für alle Teilnehmer, die vorhandene Infrastruktur durch Einsatz von Telematik zu optimieren. Dazu gehört die bestmögliche Ausnutzung der Schleusen und Umschlagsanlagen. Schiffe können bei der Anfahrt ihre Geschwindigkeit entsprechend ausrichten und so ggf. Energie sparen. Die Kapazitäten von Häfen und Schleusen lassen sich auf diese Weise ohne große Investitionen erhöhen. Ganz nebenbei würde eine gelegentlich allzu spärliche Kommunikation zwischen Schiff und Zielhafen verbessert.

In der abschließenden Diskussion unter der Leitung von Hans van der Werf (stellvertretender Generalsekretär der ZKR, Strasbourg) wurden einzelne Problembereiche in einen technisch-wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang gerückt. Der bei der aktuellen Marktlage auf 30 Jahre geschätzte Umstellungszeitraum von Einhüllen- auf Doppelhüllenschiffe war für Volker Paul (BP Köln) entschieden zu lang. Eine Verkürzung dieser Frist lässt sich nur durch langfristige bilaterale Partnerschaften erreichen, die durch kurzfristige Marktschwankungen nicht beeinflusst werden.

Hierzu gab es einen interessanten Diskussionsbeitrag von Dr. Jaegers (geschäftsführender Gesellschafter der Reederei Jaegers – 130 Schiffe): „Registriert sind derzeit im Rahmen von EBIS 1.200 Schiffe, davon etwa 150 Doppelhüllenschiffe – Tendenz steigend. Das Fernziel könnten 1.000 Doppelhüllenschiffe sein. Kosten pro Schiff 3 Mio. Euro, macht zusammen 3 Milliarden Euro. Die Banken könnten hiervon 2/3 finanzieren, bleibt ein Rest von 1 Milliarde Euro und dieser Betrag könne einfach von den Reedereien derzeit nicht aufgebracht werden. Hinzu kämen Engpässe bei den Werften, die 100 Schiffe pro Jahr nicht umbauen könnten. Gleichwohl gab Dr. Jaegers zu verstehen, dass die Reedereien in der Vergangenheit und auch künftig einen hohen Sicherheitsstandard gewährleistet hätten und auch künftig den Trend beibehalten wollen – es müsse nur alles finanzierbar bleiben.

Schlussbemerkungen

Es war eine gelungene Veranstaltung! Die Bemühungen von BP Köln, Verlader und Beförderer (Reeder) an einen Tisch zu bringen, um die Probleme gemeinsam zu diskutieren, kann nur als Nachahmung empfohlen werden. Erfreulich auch, dass auch die Reeder darauf stolz sind, einen hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten und grundsätzlich auch bereit sind, diesen auszubauen. Allerdings blieb die Frage von Dr. Gunther Jaegers (Geschäftsführender Gesellschafter der Reederei Jaegers), wer die Zeche bezahlen soll, noch etwas im Raume stehen. Die Binnenschifffahrt ist aber weiterhin bereit, mehr Doppelhüllenschiffe einzusetzen, wenn sie auf langfristige Kontrakte vertrauen kann. Man ist also weiter auf dem richtigen Weg!

Bilder vom Workshop