20. Internationale Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tage
in Lahnstein
- Ab 2018 Mineralölprodukte nur noch in Doppelhülle -
1990 trafen sich die europäischen Binnenschifffahrtsexperten erstmals in Lahnstein, um über den
Transport gefährlicher Güter in der Binnenschifffahrt Erfahrungen auszutauschen. Damals gab es harte Fronten zwischen den Verordnungsgebern (die im Interesse des Umweltschutzes möglichst sichere Schiffe haben
wollten), den Reedern (die ihre Schiffe unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einsetzen wollten) und der Industrie (die damals möglichst preisgünstige Beförderungsdienstleistungen haben wollte).
Zwischen diesen drei Gruppen gab es Interessenkonflikte, die teilweise sogar sehr unfair
ausdiskutiert wurden: Die Verlader (Industrie) bestimmte gegenüber den Beförderern (Reeder), welche Schiffe einzusetzen waren und bestimmte insbesondere auch den Preis für die Beförderungsleistung. Die Behörden
saßen auf einem „hohen Ross“. So traf man sich zwar in Straßburg bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) zu so genannten „Anhörungen“, eine Diskussion wurde aber von den Behördenvertretern so gut
wie nicht zugelassen. Hier in Straßburg hatten wiederum die Reeder einen Vorteil gegenüber den Verladern, nach altem Schifffahrtsrecht wurden nur die Reeder angehört – die Verlader wurden zu den Sitzungen nicht
eingeladen.
Als damaliger Chairman der Arbeitsgruppe „Transport gefährlicher Güter“ (MD/G) hatte Klaus Ridder
aus Bonn die Idee, dass man sich ja außerhalb des streng reglementierten Anhörungsverfahrens auch zu einem Erfahrungsaustausch treffen sollte. Zusammen mit dem ecomed Verlag in Landsberg wurden die 1.
Internationalen Binnenschifffahrts-Gefahrgut-Tage durchgeführt, sie fanden in Lahnstein südlich von Koblenz – mit Blick auf den Rhein – statt. Und die ersten Gefahrgut-Tage waren tatsächlich ein Erfolg! Man
traf sich nach den Referaten und auch während der Pausen zu Gesprächen unter Behördenvertretern, Vertreter des Binnenschifffahrtsgewerbes, Vertreter der Polizei und auch der Verlader sowie der
Klassifikationsgesellschaften und der Schifffahrtsbehörden. Bei den Gesprächen kam es zum gegenseitigen Verständnis der unterschiedlichen Positionen: Der Zweck der Übung war erfüllt!
Bei der Jubiläumsveranstaltung im September 2009 sprachen Referenten aus 4 Ländern, hier wesentliche Aussagen aus den Vorträgen:
Containerverkehr
Kamen erstmals 1967 Container aus Amerika nach Europa, so ist die Beförderung gefährlicher Güter in
Fracht- und Tankcontainer heute Normalität. Der Sicherheitsgewinn ist hoch, zumal die verpackten Güter durch den Container noch einen zusätzlichen Schutz bekommen. Auch der Diebstahl wird erschwert. Gleichwohl gibt
es insbesondere bei begasten Containern Probleme, weil diese oftmals nicht oder nur unzureichend gekennzeichnet sind. Es werden auch Begasungsmittel insbesondere in ostasiatischen Ländern verwendet, die nach
europäischem Recht verboten sind. Die Wasserschutzpolizei (WSP) hat hier in den letzten Jahren Erfahrungen gesammelt und entdeckt oftmals Container, die unvorschriftsmäßig ankommen und somit eine Gefahr für die
Empfänger darstellen. So weisen beispielsweise nicht gekennzeichnete Container, die an den Türen zugeklebt sind, darauf hin, dass eine Begasung stattgefunden haben könnte. Empfänger solcher Container in der Möbel-,
Textil- und Nahrungsmittelindustrie laufen beim Betreten begaster Container Gefahr, die giftigen Gase einzuatmen, was zu Gesundheitsschäden oder gar zum Tode führen kann.
Auch bemängelte Reinhard Brockmann von der WSP Köln, dass die Ladung in Überseecontainern oftmals
unzureichend gesichert ist oder die Container sich in einem schlechten Zustand befinden. Container, die nicht den Vorschriften entsprechen und eine Gefahr darstellen werden von der weiteren Beförderung zunächst
ausgeschlossen – das bringt viele Unannehmlichkeiten für den Verlader und Empfänger mit sich. In den Niederlanden wurden sogar Container entsorgt, die mit einem unzulässigen Gas begast waren.
Sonderregelungen für den Rhein
Erwin Fessmann, mehrere Jahrzehnte Sekretär bei der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR)
in Straßburg und die „Seele der ZKR“, ist in den Ruhestand gegangen –bleibt aber weitere 2 Jahre aufgrund eines Beratervertrages der ZKR und dem internationalen Binnenschifffahrtsgewerbe erhalten.
Bei der ZKR hat sich in den letzten Jahren viel verändert, sie ist auf dem Rhein nicht mehr allein
für Regelungen zuständig. Im Rahmen der Internationalisierung wurden beispielsweise die Arbeiten für das Europäische Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen (ADN) nach Genf zur
Wirtschaftskommission für Europa (UN-ECE) verlagert. Die Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein (ADNR) wird Ende 2010 vollkommen aufgelöst werden. Allerdings wird es auf dem Rhein auch
künftig noch rheinspezifische Besonderheiten geben.
Von der ZKR im Rahmen des ADNR ausgesprochene Empfehlungen bleiben gültig
- - Von der ZKR im Rahmen des ADNR ausgesprochene Empfehlungen bleiben gültig.
- - Die allgemeinen Übergangsbestimmungen des ADNR bleiben gültig.
- - Schiffe, mit Übergangsbestimmungen nach 1.6.7.3 ADN werden nicht zugelassen.
- - Keine Abweichungen zur Bezeichnung mit blauen Kegeln oder Lichtern.
- - Die Zulassungszeugnisse können von der zuständigen Behörde eines beliebigen Mitgliedstaates
der ZKR, der auch Vertragspartei des ADN ist, erteilt werden.
- - In Schubverbänden mit Abmessungen größer 195 x 24 m dürfen sich keine Schiffe
- befinden, die gefährliche Güter befördern oder nicht entgast sind.
Einhüllenschiffe bis Ende 2017
Es gibt derzeit noch viele Fragenzeichen bezüglich Übergangsregelungen im neuen ADN-Übereinkommen.
Ende August 2009 fand eine Sondersitzung bei der UN-ECE in Genf statt. Man war sich im Großen und Ganzen über die vorgelegten Vorschläge einig, konnte allerdings keinen Beschluss fassen, weil bei der
Beschlussfassung im sog. Verwaltungsausschuss eine zu geringe Anzahl von ADN-Vertragsparteien (derzeit 11 Staaten) anwesend war. Der Verwaltungsausschuss wird nun anlässlich der Sitzung im Januar 2010 über die
Befristung der Übergangsbestimmungen bestimmen. Gleichwohl vorab schon einige wesentliche Aussagen, über die man sich im Großen und Ganzen einig ist:
- Ende 2017 sollen für umweltgefährdende Stoffe nur noch Tankschiffe in Doppelhüllenbauweise (Typ N
Doppelhülle) eingesetzt werden dürfen. Allerdings ist man hier der Meinung, dass die Regelung der Beförderung von umweltgefährdenden Stoffen sehr große wirtschaftliche Auswirkungen hat, so dass über die Befristung
nochmals nachgedacht werden sollte, so Beat Bürgi vom Bundesamt für Verkehr in Bern (CH), der an den Verhandlungen in Genf teilgenommen hatte.
Der vollständige Text des Vortrags von Beat Bürgi und Klaas den Braven (NL) ist unter www.klaus-ridder.de (Stichwort Gefahrgut) einzusehen.
Gefahrgutausbildung für Schiffsjungen
Eine gute Ausbildung ist eine gute Grundlage für die Sicherheit an Bord von Gefahrgutschiffen.
Hans-Günter Portmann, Leiter des Kompetenzzentrums der Binnenschifffahrt in Duisburg, stellte diesen Grundsatz seinem Referat voran. Zur Zeit besuchen 640 Schülerinnen und Schüler das Berufskolleg. Untergliedert
wird das Lehrangebot in den
- - maritimen Bereich
- - Bereich Binnenschifffahrt
- - Bereich Hafenlogistik
- - Bereich Boots- und Schiffbau.
Alle Auszubildenden haben einen Ausbildungsvertrag mit einem Arbeitgeber abgeschlossen. Die
überbetriebliche Ausbildung findet auf dem Schulschiff Rhein statt. Bezogen auf den Transport gefährlicher Güter werden folgende Unterrichtseinheiten angeboten:
- Leben und Zusammenarbeit an Bord planen und organisieren
- - Verhalten von Binnenschiffen im Fahrbetrieb und am Liegeplatz beurteilen
- - Transportprozesse unter rechtlichen und ökonomischen Gesichtspunkten
- - Güter transportieren und Personen befördern
- - Maßnahmen bei Störungen im Regelbetrieb
- - Binnenschiffe be- und entladen
- - Maßnahmen bei Havarien einleiten und durchführen.
Portmann denkt auch darüber nach, den Auszubildenden einen ADNR-Sachkundeunterricht mit Prüfung
anzubieten. Portmann hat des Weiteren eine Initiative eingeleitet, die Berufsausbildung auf europäischer Ebene zu harmonisieren. Erste Gespräche haben im Juni 2008 bei der ZKR in Straßburg stattgefunden.
Abfallübereinkommen in Kraft
Erwin Spitzer, einer der Geschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BdB),
konnte berichten, dass Belgien als letzter Staat die Ratifizierungsurkunde zum Beitritt zum europäischen Abfallübereinkommen in Straßburg hinterlegt hat. Somit haben alle Rhein-Staaten das Abfallübereinkommen
ratifiziert und es kann in Kraft treten.
Vor 20 Jahren hatte man mit den Arbeiten begonnen. Es ging darum, Ladungs- und Slopreste
umweltfreundlich zu beseitigen. Weil die bestimmungsgemäße Beseitigung zu hohen Kosten führte, wurde oftmals durch die Schiffsbesatzung eine umweltunfreundliche Beseitigung durch Einlass in das Rheinwasser
vorgenommen. Nicht alle Umweltsünder konnten ertappt werden. Das soll nunmehr anders werden, weil die Binnenschiffer ihre Reste praktisch kostenlos abgeben können. Finanziert wird alles über Treibstoffzuschläge.
Somit wird, so Erwin Spitzer, ein wesentlicher Beitrag zur Reinhaltung des Rheinwassers geleistet.
Resümee
Die Veranstaltung war mit Teilnehmern aus 5 Ländern gut besucht – trotz der wirtschaftlichen
Probleme in der Binnenschifffahrt. Aber es gab so viel Neues, dass die Teilnehmer bis zum Ende anwesend waren, zumal der letzte Vortrag sich mit Übergangsregelungen befasste und man hier auf die Neuigkeiten aus
Straßburg (ZRK)/Genf (UN-ECE) wartete.
Dipl.-Ing. Klaus Ridder, Königswinter
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